Mit dem Camper unterwegs auf Kanadas abelegenen Straßen

Zwischen Yukon und Neufundland – 1 Jahr in Kanada

Stephanie & Nico aus dem tigerexped-Team, reisten von 2016 bis 2017 ein Jahr lang durch Kanada. Dabei werden sie zu Hundeschlittenführern und erleben den berühmten „Indian Summer“ – zu dem sie dir hier ihre ganz persönliche Reiseempfhlung geben.


Vancouver im Mai 2016 – Ein Fahrzeug muss her

Unsere Reise beginnt in Vancouver, wo unsere Reise Anfang Mai 2016 beginnt. Der Startpunkt ist bewusst gewählt. Allerdings nicht, weil Vancouver eine so atemberaubende Stadt zwischen Meer und Bergen ist, mit spannendem Nightlife oder wegen der berühmten Steam Clock. Nein, dort stehen die Chancen am besten, einen Mitsubishi L300 (dort Delica), zu bekommen.

Uns war im Vorfeld klar, dass wir keinen amerikanischen Spritschlucker haben wollen. Auch war uns klar, das wir IN einem Fahrzeug schlafen müssen, denn in Nordamerika sind die Winter nicht ganz so gnädig. Und natürlich sollte das neue mobile Zuhause auch geländegängig sein. All diese Kriterien führten uns daher nach Vancouver, denn dort gibt es dort einen regen Import japansicher Kleinbusse mit Allrad, vorzugsweise sogar Mitsubishi L300/Delica.

Es dauert auch nicht lange bis der Delica eines RCMP-Officers den Besitzer wechselt und Nico ihn am Straßenrand zwischen Walmart und Baumarkt ausbaut. Vancouver ist eine angesehene Filmstadt und viele Hollywood-Produktionen werden dort gedreht. Rund um die Filmstudios campen deshalb diverse Stuntmen und Möchtegern-Schauspieler, da fallen wir mit unserem Rumpelausbauprojekt gar nicht auf.

Sobald der Ausbau mit Bett, ein paar Schränken, Kühlbox, Zweitbatterie usw. fertig ist, zieht es uns raus in die Wildnis.

Kälte, Wildlife und Natur

Ende Mai, Anfang Juni starten wir gen Norden, Richtung Yukon Territory.

Geplant war eigentlich, dass wir erstmal in den Sommer fahren, bevor der harte nordamerikanische Winter uns irgendwann einholen wird. Doch dies ist nicht etwa 6 Monate nach unserer Ankunft der Fall, sondern bereits im Mai, keine 6 Wochen später.

Auf unseren Facebook-Post kommentierte Obertiger Martin Henning: “Wohin soll ich die Standheizung schicken?” Eine solche hatten wir tatsächlich anfangs nicht eingeplant.

Bald erhalten wir ein Paket von tigerexped – damals noch keineswegs ahnend, dass wir selbst einmal Pakete an tigerexped-Kunden schicken sollten.

Nach dem anfänglichen Schnee wird es aber doch irgendwann Frühling am Alaska Highway. Die Zeit, in der die Bären aus dem Winterschlaf erwachen und raus kommen. Aber nicht nur sie begegnen uns. Es gibt Tage auf dem Alaska Highway, an dem wir kaum Strecke schaffen, weil einfach so viele wilde Tiere zu bestaunen sind. Nicos absolute Favoriten sind die Bisons. Die nordamerikanischen Verwandten der hier manchmal zu sehenden Wisente sind nochmal eine ganze Nummer größer und sehr beeindruckend. Dennoch sehen sie so gemütlich aus. Teilweise kamen sie uns auch richtig nah. Aber wenn ein noch so gemütlich aussehendes Tier 2m neben dem Fenster einfach mal bedrohlich schnaubt, dann drückt man lieber doch aufs Gaspedal und nicht mehr auf den Auslöser. Schließlich hat unser L300 schon eine Delle von einem Wapiti in der Schiebetür (vom Vorbesitzer), wir sind nicht scharf darauf, eine Bisonbeule zu ergänzen.

Viel mehr als Wildlife, atemberaubende Natur und Landschaft, hat der Alaska Highway aber auch nicht unbedingt zu bieten. Die Städte unterwegs finden wir eher unspektakulär. Einzig erwähnenswert auf einer Strecke von rund 2000km: Der Sign Post Forest in Watson Lake. Dieser befindet sich außerdem direkt neben dem Visitor Information Center, wo wir uns nicht unbedingt nach touristischen Attraktionen, sondern langsam mal nach Arbeit erkundigen. Irgendwie muss das Jahr ja finanziert werden und die Reisekasse wieder aufgestockt. Vom Visitor Center werden wir postwendend ins Arbeitsamt geschickt, wo man uns nach nur 20 Minuten, Jobs im ganzen Yukon anbietet.

Wir werden zu Mushern

Wir landen in Carcross. Mit Autos und Motocross zu tun hat das nichts, vielmehr hieß der Ort eigentlich einmal Caribou Crossing. Da es jedoch noch einen Ort dieses Namens gab und Post immer im jeweils falschen Caribou Crossing landete, wurde dieses einfach in Carcross abgekürzt.

Carcross hat eine sehr aktive First Nations Community der Tagish. Die Lake-Bennett-Station des White Pass Zuges befindet sich dort und gegenüber ein General Store, der allerdings eher ein touristischer Kuriositätenladen ist. Wirklich einkaufen kann man bestenfalls an der Tankstelle oder in Whitehorse, der Hautpstadt des Yukon – ca. 75 km entfernt.

Bei unserem ersten Einkauf in Whitehorse wundern wir uns noch, warum viele Leute gleich mit mehreren Einkaufswagen an den Kassen stehen. Wenn man aber viele hundert Kilometer weit fahren muss, um einzukaufen, gewöhnt man sich schnell daran.

In der ganzen Region gibt es neben den First Nations auch eine rege Community und Geschichte der Musher, also Schlittenhundeführer. In Whitehorse ist wechselnd Start oder Ziel der Yukon Quest. Es gilt zusammen mit dem Iditarod Rennen als eines der härtesten der Welt.
Neben den Hunderennen werden Dog-Teams nach wie vor als Transportmittel benutzt. So wird z.B. Baumaterial über zugefrorene Seen zu entlegenen Cabins transportiert, wenn man sich keinen Hubschrauber leisten kann und kein Schneemobil besitzt.

Und so finden wir Arbeit bei einem Unternehmen, welches knapp 100 Hunde besitzt. Im Winter werden Rennen gelaufen, im Sommer werden Gäste beherrbert und die Hunde fit gehalten, indem sie kleine Gruppen von Touristen in Carts (Sommerschlitten) durch die Wildnis ziehen. Zusätzliche Attraktionen sind ein Museum, ein Restaurant mit Cafe und natürlich Welpenstreicheln.

Während ich eher die Touristen versorge, ist Nico als Dog-Handler mit den Mushern für die Hunde verantwortlich. Das heisst, man muss die Tiere und jeden einzelnen Charakter kennenlernen, sie füttern und natürlich auch sauber machen. Bei 96 Hunden kann das eine ganz schöne Sch*** werden. Am Ende des Sommers hat Nico sich allerdings das Vertrauen der Hunde erarbeitet und kann eigene Teams von 12 Hunden führen.

Hierzulande haben wir oft das Bild von kräftigen Malamuten und Sibirischen Huskies vor Augen, dabei sind die Alaska Huskies dünn und drahtig. Sie sind die schnellen, ausdauernden Athleten mit den perfekten Voraussetzung zum laufen der Hundeschlittenrennen. Die Alaska Huskies sind im Vergleich also eher Rennpferde, während Malamuten die Haflinger Arbeitspferde sind. Unter unseren knapp 100 Hunden ist nur ein einziger Sibirischer Husky.

Dem Winter entfliehen

Dass der Winter schon langsam wieder vor der Tür steht, merken auch wir, als es für uns weiter, Richtung Tombstone geht. Den landschaftlich eigentlich beeindruckenden Nationalpark können wir durch aufziehende Nebelschwaden meist nur erahnen. Es wird langsam Zeit, den rauhen Yukon zu verlassen.

Unser nächstes Ziel ist Toronto. Besuch aus der Heimat möchte die Herbstfarben in Kanada mit uns erleben. Als wir Anfang September aufbrechen, ist es am Robert Campbell Highway bereits Herbst und Standheizungs-Wetter. Ich habe etwas Sorge, ob bis zur Ankunft unserer Besucher überhaupt noch ein Blatt auf den Bäumen ist. Bis dahin liegen aber noch viele Tausend Kilometer vor uns. Nach einigen Fahrtwochen u.a. über die endlosen Ebenen der Prärie, erleben wir an den großen Seen die Aurora Borealis bei 15 Grad plus. In Winnipeg herrscht Flip Flop Wetter bei 30 Grad(!), nachdem wir im September im Yukon schon „lange Unterlosen Wetter“ hatten. Ganz gut, noch einmal Sommersachenwetter zu haben, denn all unsere langen Klamotten brauchen dringend einen Waschsalon, nach einem knappen Monat Reisezeit.

Bevor wir Toronto erreichen, darf natürlich eins nicht fehlen: die Niagarafälle. Hier erleben wir wieder, wie es uns bereits am Uluru (Ayers Rock) bei unserer Reise durch Australien ergangen ist: Man denkt man hat dies alles ja schon auf 1000 Bildern gesehen – aber wenn man dann tatsächlich da ist, ist es einfach überwältigend!

Und schließlich erreichen wir Toronto pünktlich für einen gemeinsamen Roadtrip in die Herbstfarben des Algonquin Nationalparks. Unsere europäische Floskel “Indian Summer” ist übrigens vor Ort politisch gar nicht korrekt, für diesen Begriff wird man sehr schräg angeschaut. Hier nennt man die Farbenpracht einfach „autumn colours“.

Herbstfarben – das bedeutet natürlich nicht nur die Färbung des Ahornlaubs. Wir sind mittlerweile in Nova Scotia, dort leuchten in sattem rot die Wildbeerenwiesen. Und auch an den wettertechnisch immer rauer werdenden Küsten ist es immerhin noch farbenfroh, wie z.B. in Peggys Cove. Spätestens am Cape Breton wird es aber nun wirklich kahl.

Neufundland

Wir setzen am 1.11. nach Neufundland über. Wir wollen uns die Insel ansehen und machen die ersten Begegnungen mit den wahnsinnig offenen, freundlichen Neufundländern. So groß und weit die Insel ist, so unbesiedelt ist sie größtenteils und es gibt gar nicht so viele Straßen. Viele Orte, die sogenannten Coves, erreicht man besser zu Wasser. Der Weg nach St. Johns ist nicht unbedingt abwechslungsreich, wenngleich es auch ein wunderschöner, einsamer bzw. zweisamer Herbst-Roadtrip ist.

Nach ca. 700km, auf denen also gar nicht so viel passiert, genießen wir in St. Johns mal wieder Cafés und Pubs in dieser bunten, quirligen Stadt.

Uns gefällt es so gut, dass wir uns vorstellen können, hier den Winter zu verbringen. Wir haben sogar ein tolles Jobangebot, gleich nach unserer Ankunft erhalten, das uns einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Aufgrund dessen treten wir dann auch die ca. 700km Rückweg in dessen Richtung an. Diesmal führt uns unsere Strecke über Bonavista. Wir machen den herrlichen Skervink Wandertrail, kommen durch typische Coves und Küstenorte und erreichen schließlich wieder die westliche Küste der Insel bei Corner Brook.

Mit uns ist auch der Winter angekommen. Und was macht man im Winter in der Schneereichsten Region Kanadas? Also Nico aufgrund unseres Jobs meistens Schneeschippen :D. In unserer Freizeit unternehmen wir tolle Schneeschuh Touren oder fahren Skidoo und erleben die beeindruckendsten Backkountry Ski Touren, u.a. im Gros Morne Park.

Irgendwann stehen Weihnachten und Neujahr vor der Tür. Zu Joes großzügigem Jobangebot mit luxuriöser Angestelltenwohnung im Resort, gehörte auch die berühmte “Hütte im Wald”, wo wir die Feiertage Kanada-stilecht verbringen können – ohne Elektrizität, fließend Wasser und Handyempfang.

Doch uns ließen auch unsere 100 Huskies am anderen Ende Kanadas nicht ganz los. Es blieb der Wunsch, einmal mit einem richtigen Hundeschlitten bei Schnee zu fahren. Im maritimen Neufundland gibt es leider keine Hundeführer mehr.

Labrador

Als der Frühling (zumindest im Kalender) naht, packt uns so langsam wieder die Reiselust. Wie soll es für uns weitergehen – zurück in den Yukon, zu den Hunden?! Sind ja nur gut 7000km auf dem direkten Weg – den wir am Ende natürlich nicht wirklich nehmen. Wir wollen den Labrador Highway fahren, solange er gefroren und damit gut befahrbar ist.

Um erstmal nach Labrador zu kommen, müssten wir sehen, ob und wann der Eisbrecher fährt und wir übersetzen können. Wenn das Eis in die Meerenge drückt, können die Fähren wegen der Gefahr darin eingequetscht zu werden nicht fahren. Wir haben allerdings Glück und müssen nicht tagelang ausharren, um auf die Überfahrt zu warten. Wir setzen bald über und kommen gut in Labrador an. Allerdings erwarten uns nun einige Tage Blizzard und wir stecken fest, bis der Labrador Highway befahrbar war.

Spätestens jetzt, wenn man so einige Tage bei Schneesturm und bis zu -30 Grad ausharrt, ist die Autoterm-Standheizung unentbehrlich, auch wenn wir wirklich keine großen Probleme mit Kälte haben. Aber nicht nur sie, auch Batterieheizung und andere Dinge, mit denen Nico den L300 ausgestattet hatte sind nahezu überlebenswichtig.

Als der Blizzard vorüber ist, geht unsere nächste Kanada Durchqueerung los. Über vereiste Highways einmal zurück nach Westen, diesmal über Banff & Jasper. Der berühmte blaue See Lake Louisie, sieht im Winter aus, wie alle anderen Seen auch – weiß.

Das Highlight am Ende

Nach einigen tausend Kilometern, erreichen wir wieder den Yukon, wo uns Lieblins-Husky Kalvik und die anderen schon erwarten.

Hier erleben wir nun endlich unser unvergessliches Kanada-Highlight – mit ECHTEM Hundeschlitten über den Fish Lake donnern. Im April waren wir hier öfter zur Hütte des „letzten Trappers“ gepaddelt. Vielleicht kennst du den Film?

Mit diesem Bild eines „flat tire in Alaska“ – Husky müde vom Tag – schließt sich nun die Geschichte unserer Rundreise durch Kanada. Solltest du eine Reise durch dieses weite und wunderschöne Land im Sinn haben … TU ES! Es wird dir unvergessliche Erlebnisse bescheren.


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